Zum Inhalt dieser Website
Die Falschen Dekretalen Pseudoisidors gehören zu einem Komplex kirchenrechtlicher Fälschungen, die um die Mitte des 9. Jahrhunderts auftauchen. Entstanden sind sie wohl im 2. Viertel des 9. Jahrhunderts. Die wichtigsten weiteren Bestandteile des Fälschungskomplexes sind eine Sammlung angeblicher fränkischer Herrschergesetze, die Falschen Kapitularien des Benedictus Levita sowie eine verfälschte Version der sogenannten Hispana, einer Sammlung von Konzils- und Papsttexten, die in der westgotischen Kirche weit verbreitet war.
Auf diesen Seiten finden Sie:
Neu: Alle drei Teile der Falschen Dekretalen, in abschließender Textgestalt bis zu dem Brief des Papstes Felix III. an Acacius von Konstantinopel (vgl. ed. Hinschius, S. 634), in vorläufiger Textgestalt (nach Paris Bibl. nat. lat. 9629) ab dem Brief des Papstes Felix III. an Bischof Zeno von Sevilla. Von den in die ed. Hinschius nicht aufgenommenen Schlussstücken der Sammlung sind einstweilen nur die Auszüge aus dem 4. bzw. 6. allgemeinen Konzil aufgenommen, da nur diese beiden Stücke in allen drei berücksichtigten Formen der Langversion (A1, A/B und Cluny-Version) vorkommen. Dabei sind die Auszüge aus den Akten des Konzils von Chalkedon hier erstmals vollständig wiedergegeben ( Die Ausgabe in J. B. Pitras Spicilegium Solesmense, Bd. 4, 1858, S. 166 - 191, ist unvollständig) und die Auszüge aus den Akten des 6. allgemeinen Konzils überhaupt erstmals veröffentlicht.
Neu: Übersetzung der Capitula Angilramni
Die Falschen Dekretalen haben eine weite Verbreitung gefunden und vor allem im Mittelalter, aber auch bis in das geltende Kirchenrecht hinein, Einfluss ausgeübt. Sogar das geltende amerikanische Verfassungs- und Zivilrecht ist von Pseudoisidor beeinflusst: Der Oberste Gerichtshof der USA zieht in der Begründung zu einem 1972 ergangenen Urteil (LINDSEY v. NORMET) zur Auslegung des 14. Verfassungszusatzes “the exceptio spolii of the Pseudo-Isidore” heran, so wie er es schon in einer früheren Entscheidung aus dem Jahre 1915 (GRANT TIMBER & MFG CO. v. GRAY) getan hatte. Dennoch ist der Text der Fälschungen bisher nur in unzureichender Weise veröffentlicht. Die erste Ausgabe durch Jacques Merlin aus dem Jahre 1523 (nachgedruckt. u.a. im Band 130 von J.P. Mignes Patrologia Latina) fußt auf einer vergleichsweise späten Handschrift, die die Fälschungen zudem in einer vom ursprünglichen Bestand nicht unbeträchtlich abweichenden Form bietet. Dennoch ist diese alte Ausgabe jedenfalls für einen großen Teil der Falschen Dekretalen der 1863 veröffentlichten Edition von Paul Hinschius vorzuziehen, (Decretales Pseudo-Isidorianae et Capitula Angilramni, Leipzig 1863).
Auf diesen Seiten entsteht ein neuer vorläufiger Text der Falschen Dekretalen Pseudoisidors. Es geht dabei zunächst darum, eine bessere Annäherung an den Text der Dekretalen zu finden. Insofern handelt es sich allenfalls um eine Vorarbeit zu einer neuen Edition. Ein besserer Text, als er sich in den Editionen von Paul Hinschius oder von Jacques Merlin findet, könnte auch anderen Editionsvorhaben eine Hilfe sein. Der Text setzt auch eine Anregung Horst Fuhrmanns zu einer "halbkritischen" Ausgabe um (Wilfried HARTMANN - Gerhard SCHMITZ [Hgg.], Fortschritt durch Fälschungen? Ursprung, Gestalt und Wirkungen der pseudoisidorischen Fälschungen [MGH Studien und Texte 31, Hannover 2002, S. 249f.])
Eine deutsche Übersetzung der Fälschungen existiert bislang nicht. Deswegen werden hier auch ausgewählte Stücke in Übersetzung (meist in Auszügen) bereitgestellt. Dieser Teil der Website steckt allerdings noch in den allerersten Anfängen.
Der Weg von einer "halbkritischen" Ausgabe zu einer kritischen Edition der Falschen Dekretalen ist freilich sehr weit. Dies wird auf diesen Seiten deutlich, wenn man die Editionen zweier anderer Fälschungen des pseudoisidorischen Kreises, der Capitula Angilramni und der bisher unbekannten Collectio Danieliana zum Vergleich heranzieht, die auf diesen Seiten ebenfalls angeboten werden.
Zunächst werden für die Falschen Dekretalen 5
Handschriften
aus dem 9. Jahrhundert herangezogen. Diese Handschriften sollen die
verschiedenen frühen Versionen der Falschen Dekretalen
repräsentieren. Es wird sich dabei um folgende, alle aus dem
9.
Jahrhundert stammende, Codices handeln:
Vat. lat 630 (V630)
Vat. Ottob. lat. 93 (O93)
New
Haven Beinecke Library 442 (N442)
Ivrea Biblioteca Capitolare 83 (I83) sowie Bibl. Vallicelliana D.38
(VD38)
repräsentieren die Kurzversion der Falschen Dekretalen
(Hinschius-Klasse A2). Die Handschrift aus der Biblioteca Vallicelliana
ist auch deswegen von besonderem Interesse, weil sie mehr als 1000
erläuternde Glossen enthält.
V630 repräsentiert die von Hinschius (Decretales
Pseudoisidorianae
et Capitula Angilramni. Leipzig 1863) sogenannte und von ihm
unterschätzte Klasse A/B. Die Folio-Handschift stammt aus dem
Kloster Corbie, dessen enge Beziehungen zu Pseudoisidor von Klaus
Zechiel-Eckes (z.B. Klaus Zechiel-Eckes, Auf Pseudoisidors Spur. Oder:
Versuch, einen dichten Schleier zu lüften, in: Wilfried
HARTMANN -
Gerhard SCHMITZ [Hgg.], Fortschritt durch Fälschungen?
Ursprung,
Gestalt und Wirkungen der pseudoisidorischen Fälschungen [MGH
Studien und Texte 31, Hannover 2002] S. 1-28) betont worden sind, der
gezeigt hat, dass einige handschriftliche Quellen der Fälscher
aus
der Klosterbibliothek Corbies stammen. Die Handschrift ist
sorgfältig geschrieben und durchkorrigiert.
O93 repräsentiert die Hinschius-Klasse A1. Da diese Handschrift am Anfang (es fehlen die Praefatio, der gefälschte Briefwechsel zwischen Aurelius von Karthago und Papst Damasus I., der Konzilsordo, das Breviarium, die Kanones der Apostel und nahezu der gesamte 1. Clemens-Brief) und am Schluss (es fehlen alle Stücke ab dem Brief Leos I. an Bischof Anastasius von Thessaloniki) defekt ist wird an Stelle dieser Handschrift für die Stücke am Anfang die aus dem 10. Jahrhundert stammende Handschrift Angers (A367), Bibliothèque municipale 367 und für den Schluss vorerst die aus dem 9. Jahrhundert stammende Handschrift Paris, Bibliothèque nationale lat. 9629 (P9629) herangezogen. O93 bietet eine sehr gute Textqualität und ist sorgfältig korrigiert worden. Der Mangel an jedlichem Zierwerk zeigt, dass es sich um eine Arbeitshandschrift handelt. Ein enger Zusammenhang der Handschrift mit der Fälscherwerkstatt ist jedenfalls nicht auszuschließen. Der Konzilienteil von O93 ist stärker interpoliert als der von V630. So finden sich in c. 1 und c. 2 des 5. Konzils von Karthago in O93 typisch pseudoisidorische Einfügungen, die in V630 fehlen (s. Text)
N442 repräsentiert die sogenannte Cluny-Version. Die
Handschrift
steht in engem Zusammenhang mit der Fälscherwerkstatt (vgl.
Karl-Georg Schon, Eine Redaktion der pseudoisidorischen Dekretalen aus
der Zeit der Fälschung, DA 34, 1978, S. 500-511). und
präsentiert eine sehr gute Textqualität. Auch hier
handelt es
sich um eine Arbeitshandschrift.
Da alle vier genannten Formen der Fälschung bereits mit
handschriftlichen Zeugen aus dem dritten Viertel des 9. Jahrhunderts
vorliegen, wird man damit rechnen müssen, dass alle vier
Formen in
dem Sinne authentisch (sit venia verbo) sind, dass sie alle
gleichermaßen unmittelbar auf die Fälscher selbst
zurückgehen. Immerhin ist es auffällig, dass zu einem
so
frühen Zeitpunkt schon so viele verschiedene Versionen in
Umlauf
waren. Es hat bis etwa zum 11. Jahrhundert – also etwa 200
Jahre
– gedauert, bis weitere Versionen hinzukamen. Hinsichtlich
der
Kurzversion (Hinschius-Klasse A2) kommt hinzu, dass in dem unmittelbar
auf die Praefatio folgenden gefälschten Briefwechsel zwischen
Damasus und Aurelius von Karthago (Stücke 2 und 3 der
nachfolgenden Texte) von einer angeblich von Papst Damasus
zusammengetellten Sammlung von Papstbriefen der Nachfolger des Apostels
Petrus bis zum Beginn des Pontifikats von Damasus die Rede ist, die
Damasus angeblich auf Bitte des Aurelius von Karthago erstellt haben
soll - also einer Sammlung, die genau dem Umfang der Kurzversion der
Falschen Dekretalen entspricht. Ein anderer Zweck als eben diese
Sammlung - also die Kurzversion der Falschen Dekretalen - zu
legitimieren, ist in dem Briefwechsel nicht zu erkennen. Hinsichtlich
A1 und A/B spricht überdies die unterschiedliche
Verfälschungsintensität (s. oben) für den
Urprung beider
Klassen in der pseudoisidorischen Werkstatt.
Für die echten Stücke der Falsche Dekretalen werden
zusätzlich folgende Handschriften herangezogen:
Für
Texte aus der Collectio Dionysio-Hadriana:
Berlin Deutsche Staatsbibliothek Hamilton 132 (H132). Diese Handschrift
stammt aus Corbie und zeigt deutliche Spuren der Benutzung durch die
pseudoisidorische Werkstatt. Die ursprüngliche Hadriana
(geschrieben in der ab-Schrift Corbies) ist - vielleicht noch vor der
Mitte des 9. Jahrhunderts - in karolingischer Minuskel zu einer nur in
dieser Handschrift überlieferten Sonderform der Hispana
Gallica Augustodunensis umgearbeitet und ergänzt
worden.
Außerdem finden sich viele Merkzeichen derjenigen Art am
Rande,
die denen, die K. Zechiel-Eckes (Ein Blick in Pseudoisidors Werkstatt,
Francia 28/1, 2001, S. 37ff.) in anderen Corbie-Handschriften
nachgewiesen hat, die von Pseudoisidor nachweislich benutzt wurden
Für Texte aus der Hispana-Tradition werden neben der Berliner Hamilton Handschrift die Hispana Gallica des Cod. Wien Österr. Nationalbibliothek 411 (Hispana Gallica), sowie der im 9. Jahrhundert in Corbie entstandene Vat. lat. 1341 (wie die Hamilton Handschrift Hispana Gallica Augustodunensis) herangezogen
Zur besseren Benutzbarkeit sind die Quellen vorläufig nach der Ausgabe von Paul Hinschius angegeben. Kleinere Versehen wurden stillschweigend korrigiert. Nur in besonders wichtigen Fällen wurden neuere Forschungsergebnisse bereits jetzt nachgetragen.
Ferner
wird die Rezeption der Falschen Dekretalen in den wichtigsten
Kanonessammlungen vom 9. Jahrhundert bis zum Dekret Gratians
berücksichtigt. Für die Collectio Anselmo dedicata,
Regino v.
Prüm, Pseudo-Remedius, Burchard v. Worms, die
74-Titel-Sammlung (Diversorum
patrum sententiae), Anselm v. Lucca, Deusdedit, Bonizo v.
Sutri,
Ivos Dekret und Panormia sowie für Gratians Dekret liegen die
Forschungsergebnisse H. Fuhrmanns (Einfluss und Verbreitung der
pseudoisidorischen Fälschungen 3, S. 785ff.) sowie
für den
Polycarpus des Kardinals Gregor v. San Crisogono die von U. Horst (Die
Kanonessammlung Polycarpus, MGH Hilfsmittel 5, 1980, S. 200ff.)
zugrunde. Für den ungedruckten Polycarp wurde
außerdem
ein auf der Website
der
Monumenta Germaniae Historica verfügbarer Text
benutzt
(Typoskript von Uwe Horst aufgrund der Vorarbeiten von Carl Erdmann mit
einer Einführung zur Internetversion von Horst Fuhrmann).
Die Apparate zu Quellen und Rezeption sind bis zum 1. Fabianus-Brief
für die Editionsphase abgeschlossen und werden mit der Zeit
vervollständigt werden.
Auch der Text wird nach und nach vervollständigt. Er richtet
sich
grundsätzlich nach Handschriftenklasse A1 (O93 bzw. A367 und
P9629). Andere Handschriften wurden zur Texterstellung herangezogen, so
weit A1 offensichtlich unsinnige Lesarten bietet und diese nicht von
wenigstens zwei weiteren Überlieferungssträngen
gedeckt sind.
Wie oben dargelegt haben die Fälscher vermutlich ihr Werk in mehreren Versionen veröffentlicht. A1 enthält dabei den umfassendsten Text. Die Auswahl einer anderen Version der Fälschungen hätte dazu geführt, dass die Leitklasse u.U. mehrfach hätte gewechselt werden müssen, so dass ein Text entstanden wäre, der so jedenfalls nicht überliefert ist und vermutlich auch nie existiert hat. Zechiel-Eckes hat in Francia 28/1, 2001, S. 69 gezeigt, dass sich bei dem von ihm ebd, S. 71ff. edierten 2. Brief des Papstes Iulius an die orientalischen Bischöfe über 99 % des Textes sichern lassen, wenn man der Übereinstimmung von wenigstens drei der vier aus der Werkstatt der stammenden Klassen A1, A/B, A2 und Cluny-Version folgt. Die hier gewählte Methode, A1 stets dann zu folgen, wenn A1 nicht unsinnige Lesarten bietet, führt im Ergebnis zu kaum einem anderen Resultat. Es kann somit einstweilen dahingestellt bleiben, welcher der vier aus der Werkstatt stammenden Klassen die zeitliche Priorität zukommt. Zechiel-Eckes’ Vermutung, dass der Kurzversion A2 diese Priorität zuzuerkennen sei, ist zwar aufgrund der großen Quellennähe von A2 jedenfalls in diesem Brief verführerisch, doch stehen dieser Annahme auch erhebliche Schwierigkeiten entgegen. So kennen wir A2-Handschriften aus dem 9. Jahrhundert (Rom Bibl. Vallicelliana D.38 und Ivrea Bibl Capitolare LXXXIII), die in einigen Punkten Anzeichen einer Ableitung aus einer Handschrift der Langversion (A1 oder Cluny) aufweisen (Nummerierung einzelner Briefe nach dem nur in der Langversion überlieferten und nur dort auch sinnvollen Inhaltsverzeichnis zu Teil III der Falschen Dekretalen). Eine Entscheidung der Frage wird - vielleicht - möglich sein, wenn der Text der Falschen Dekretalen insgesamt konstituiert ist.
Bei den Texten des dritten Teils ist noch mit Textänderungen zu rechnen.
Text und kritischer Apparat des ersten und zweiten Teils der Falschen Dekretalen (Einleitungsstücke und Dekretalen von Clemens bis Melchiades sowie die Konzilien vom Konzil von Nikäa bis zum zweiten Konzil von Sevilla) sind, was diese Projektphase angeht, abgeschlossen.
Auch für den dritten Teil der Dekretalen wird auf die o.g. Handschriften zurückgegriffen. Die Handschrift von Angers enthält den dritten Teil nicht. Für A1 wird hier die Handschrift Paris, Bibl. nat. lat 9629 (P9629) herangezogen, da O93 aufgrund eines Defekts der Handschrift in den Leo-Briefen abbricht. Welche Quesnelliana-Handschrift für die aus dieser Quelle abgeleiteten Stücke des dritten Teils in einer weiteren Phase des Editionsprojekts heranzuziehen ist, bleibt noch zu prüfen.
Der Text ist orthographisch vereinheitlicht. Fußnoten zu Textvarianten sind mit fortlaufenden Zahlen nummeriert. Rein orthographische Abweichungen sind nicht vermerkt.
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2004. 2005 Karl-Georg Schon
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Zuletzt geändert am 30.6.2005
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