Projekt Pseudoisidor

Pseudoisidor

Capitula Angilramni

Collectio Danieliana

Pseudoisidor Teil I

Pseudoisidor Teil II

Pseudoisidor Teil III

 Handschriftenklasse L

Inhaltsverzeichnis

Handschriftenklasse C

III.6. Handschriftenklasse C

Die mit Handschriftenklasse B verwandte Klasse C der CA entspricht der Hinschius-Klasse C der Falschen Dekretalen[1] und umfaßt sechs Handschriften:

59. Montpellier, Bibl. de la Faculté de Médecine H.3, 2 Bände, s. XIII[2]

Die Handschrift stammt aus dem Kloster Clairvaux. Die CA stehen zwischen Sammlung 4 der Bonifatius-Briefe[3] und den Exceptiones ex diversis constitutionibus de rebus ecclesiasticis.[4]

60. Montpellier, Bibl. de la Faculté de Médecine H.13, s. XIII[5]

Die Handschrift ist eine Abschrift des zweiten Bandes von Handschrift 59 und stammt aus dem Zisterzienserkloster Pontigny.[6] Die CA stehen im gleichen Kontext wie in Handschrift 59.

61. Paris, Bibl. de l'Assemblée nationale 27, s. XII[7]

Die Handschrift enthält die CA im gleichen Kontext wie in Handschrift 59. Der CA-Text ist eine Mischform aus Elementen der Handschriftenklassen B (z. B. Rubrik, die die CA Angilram von Metz zuschreibt) und C. Der Kontext, in dem die CA stehen, macht deutlich, daß Grundlage eine Handschrift der Klasse C ist, auf die eine Überlieferung der Klasse B eingewirkt hat. Hinschius vermutete, daß Handschrift 61 Vorlage der Erstausgabe der Falschen Dekretalen durch J. Merlin war.[8]

62. Reims, Bibl. municipale 672, s. XII[9]

Die Handschrift kam im 18. Jahrhundert in den Besitz der Reimser Kathedralbibliothek. Die CA stehen zwischen der in dieser Handschrift unvollständigen Sammlung 4 der Bonifatius-Briefe und der Disputatio Liberii papae et Constantii imperatoris[10].

63. Vatikanstadt, Bibl. Apostolica Vaticana, Vat. lat. 1340, s. XIII[11]

Die Herkunft der Handschrift ist unbekannt. Sie wurde nach Ansicht Tangls[12] und Dümmlers[13] in Deutschland geschrieben, während Williams annimmt, sie stamme aus Frankreich.[14] Die CA stehen im gleichen Kontext wie in Handschrift 59.

64. Venedig, Bibl. Naz. Marciana Zanetti lat. 169 (Num. progr. 1616), s. XV[15]

Die Handschrift, 2. Band einer zweibändigen Überlieferung (1. Band: Venedig, Bibl. Naz. Marciana Zanetti lat. 168 [Num. progr. 1615]), stammt aus dem Besitz des Kardinals Bessarion (1403?-1472), ohne daß über ihren Entstehungsort Näheres bekannt wäre. Die CA stehen im gleichen Kontext wie in Handschrift 59.

Hinschius hielt Klasse C für die jüngste Überlieferung der Falschen Dekretalen.[16] H. Mordek glaubt dagegen, Spuren dieser Klasse bereits in der im 9. Jahrhundert redigierten Form B der Collectio Dacheriana gefunden zu haben.[17] Nun ist die erweiterte Form der Falschen Dekretalen, wie sie in Klasse C vorliegt, alles andere als ein einheitliches Gebilde. M. Tangl hat gezeigt, daß die Bonifatius-Sammlung 4, die anscheinend nur in Handschriften der Pseudoisidor-Klasse C überliefert ist, auf Othloh von St. Emmeram (ca. 1010-ca. 1070) zurückgeht,[18] und A. Chavasse hat die Abhängigkeit des Corpus der Briefe Leos I. – die Sammlung der 71 Briefe – von der in Handschrift 15 (Klasse K) überlieferten Sammlung nachgewiesen.[19] Es ist daher nicht ausgeschlossen, daß scheinbare Spuren der Handschriftenklasse C in frühen kirchenrechtlichen Sammlungen in Wirklichkeit auf die Benutzung von Quellen der Klasse C –etwa Klasse K –zurückzuführen sind. Die in Klasse C überlieferte Sammlung 4 der Bonifatius-Briefe dürfte um die Mitte des 11. Jahrhunderts entstanden sein. Ivo von Chartres scheint sowohl im Dekret als auch in der Collectio Tripartita, die beide in den 90er Jahren des 11. Jahrhunderts entstanden sind, eine Handschrift der Klasse C herangezogen zu haben.[20] Demnach muß Klasse C jedenfalls in der zweiten Hälfte des 11. Jahrhunderts vorgelegen haben, ohne daß sich Näheres über die genaue Entstehungszeit sagen ließe.

Obwohl auf Klasse C also wohl eine Handschrift der Cluny-Version eingewirkt hat, ist im Text der CA ist von dieser Einwirkung wenig zu spüren. Hier steht C vielmehr B nahe, wie eine Reihe von gemeinsamen Lesarten zeigt.[21] Dabei ist ohne weiteres auszuschließen, daß B von C abgeleitet ist. B enthält nämlich nur die Leo-Briefe der Hispana. Da es außerordentlich unwahrscheinlich ist, daß der Redaktor von B aus dem umfangreichen Leo-Brief-Corpus von C ausgerechnet diese Briefe herausgesucht hat, bleibt nur übrig, daß entweder C von B abgeleitet ist, oder daß beide auf einer gemeinsamen Quelle beruhen. Allein mit dem Textmaterial der CA ist eine Entscheidung darüber nicht zu treffen.[22]

Unter den Handschriften der Klasse C weicht der Reimser Codex (Nr. 61) von den anderen zum Teil erheblich ab. Dies zeigt sich schon an der Capitulatio vor dem falschen Brief Sixtus' III., die außer in 60 in allen C-Handschriften überliefert ist. Sinnvoll ist diese Capitulatio nur in den Handschriften, die in zwei Bände aufgeteilt sind, da in ihnen der zweite Band stets mit diesem Brief beginnt (59, 60 und 63, wobei der erste Band von 60 nicht erhalten ist). Die Tatsache, daß auch 62 diese Capitulatio enthält, zeigt, daß auch diese Handschrift von einer zweibändigen Überlieferung abhängig ist. Es wäre nicht ausgeschlossen, daß 61 lediglich auf die mitten in der Sammlung in einbändigen Handschriften deplaziert wirkende Capitulatio verzichtet hätte. Allerdings deuten noch andere Besonderheiten auf eine eigenständige Überlieferung hin. So sind zwischen die Leo-Briefe und die Collectio Sangermanensis 2[23] die in den übrigen Pseudoisidor-Handschriften erst an späterer Stelle überlieferten Exzerpte aus den Akten des 4. und des 6. Konzils eingeschoben[24] (also an einem jedenfalls für die Chalkedon-Exzerpte historisch sinnvollen Ort); auf die Briefe Gregors I. folgen Aktenstücke des 6. allgemeinen Konzils[25] sowie Briefe vor allem Hadrians II., die die Handschrift 60 in die Nähe von Paris 9629/1557 (Handschrift 4) rücken,[26] und Johannes' VIII.[27] Auch im Text der CA hebt sich 61 von der übrigen C-Überlieferung ab,[28] steht aber in keinem Falle der sonstigen CA-Überlieferung näher als die übrigen C-Handschriften. Die teilweise erheblichen Abweichungen von 61 und die Umsicht, mit der der Bearbeiter dieser Form von C vorgegangen ist, rechtfertigen es jedenfalls, diese Handschrift zur Edition heranzuziehen. Als Repräsentant der übrigen kommt 60 als Abschrift von 59 nicht in Betracht. Da 59 die älteste der drei verbleibenden Handschriften ist und die beiden anderen keine besseren Lesarten bieten, wurde diese Handschrift ausgewählt. Handschriftenklasse C ist somit mit Reims 672 und Montpellier H.3 vertreten.


[1] Vgl. Hinschius, S. LXVII ff.

[2] Vgl. Williams, Codices, S. 35 f.

[3] Vgl. Tangl, Bonifatius-Briefe, S. 688 ff.

[4] Ed. Schon, http://www.pseudoisidor.de/html/113_concilium_toletanum_viii.htm am Ende (ed. Hinschius, S. 394b-397b), vgl. ebd., S. LX. Hinschius' Vermutung, dass diese kleine Sammlung nicht auf die pseudoisidorischen Fälscher zurückgeht wird dadurch bestätigt, dass sie bereits Bestandteil der HG ist (Wien Österreichische Nationalbibliothek 411, f. 149r – 152r).

[5] Vgl. Williams, Codices, S. 36 f.

[6] Vgl. Hinschius, S. LXVII.

[7] Vgl. Williams, Codices, S. 40.

[8] Vgl. Hinschius, S. LXXII f.

[9] Vgl. Williams, Codices, S. 52.

[10] Cassiodor, Hist. trip. 5,17, ed. Jacob-Hanslik, CSEL 71, S. 237-241.

[11] Vgl. Williams, Codices, S. 65 f.

[12] Vgl. Tangl, Bonifatius-Briefe, S. 688.

[13] Vgl. Dümmler, in MGH Epp. 3, 1892, S. 221.

[14] Vgl. Williams, Codices, S. 66.

[15] Vgl, ebd., S. 70 f.

[16] Vgl. Hinschius, S. LXXII.

[17] Vgl. Mordek, Dacheriana, S. 591, Anm. 40.

[18] Vgl. Tangl, Bonifatius-Briefe, S. 693 ff.

[19] Vgl. Chavasse, Les lettres du pape Léon le Grand, S. 35 ff.

[20] Vgl. Fuhrmann, Einfluß und Verbreitung 2, S. 551 f. und Jasper, Romanorum pontificum decreta, S. 108. Möglich wäre auch eine Vorform von C, wie sie Jasper, ebd., S. 102 f. postuliert. Einige Besonderheiten von Klasse C tauchen nach Fuhrmann, Einfluß und Verbreitung 3, S. 678 f. mit Anm. 159 sogar schon im 9. Jahrhundert auf.

[21] Z. @@@: convocata] convocatus B,C; Z. @@@: conciliorum] conciliorum patrum B,C; Z. @@@: nisi] si non eum B,C; Z. @@@: pulsatur] pulsatus est B,C; Z. @@@: metropolitanus] metropolitanus episcopus B,C usw.

[22] Zwar steht C an einigen Stellen der übrigen CA-Überlieferung näher als B (vgl. besonders die Rubrik), doch könnte dies auch auf den möglichen Einfluß von K zurückzuführen sein.

[23] Ed. Schwartz, ACO 2, 5.

[24] Vgl. Schon, Exzerpte, S. 548 ff.

[25] Vgl. Catalogue général 39, S. 19.

[26] Siehe oben S. @@@.

[27] Diese Überlieferung ist nicht herangezogen von Caspar und Laehr, MGH Epp. 7 für die Briefe JE 3037, 3039 und 3041, die Caspar und Laehr nur aus Drucken kennen.

[28] Vgl. etwa Z. @@@, wo meis fehlt; Z. @@@: obtineat statt sonst obtinebit; Z. @@@: honoris vir statt sonst vir honoris usw.

© 2005 Karl-Georg Schon
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Zuletzt geändert am 6.7.2005

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