Projekt Pseudoisidor

Pseudoisidor

Capitula Angilramni

Collectio Danieliana

Pseudoisidor Teil I

Pseudoisidor Teil II

Pseudoisidor Teil III

Dekret Gratians

 

Zu dieser Ausgabe

V. Editionsgeschichte

Die Editionsgeschichte der CA beginnt mit der 1551 in Köln erschienenen 2. Auflage der Konziliensammlung des Petrus Crabbe. Im zweiten Band druckt Crabbe nach einer Handschrift, die ex Anglorum tumultu – gemeint ist die englische Reformation – gerettet worden sei, die CA ab.[1] Die Tatsache daß Crabbes Handschrift aus England stammte, legt die Vermutung nahe, daß seine Vorlage der Handschriftenklasse L angehörte, da mit zwei Ausnahmen (Oxford, Bodleian Library Hatton 6, Nr. 19 und Oxford, Bodleian Library Holkham misc. 19, Nr. 20) alle englischen bzw. in England befindlichen Handschriften der CA zu dieser Klasse zu rechnen sind.[2] Diese Vermutung wird durch einen Textvergleich bestätigt.[3] Außerdem entspricht die Kapiteleinteilung von Crabbes Druck der Kapiteleinteilung der L-Handschriften.

Crabbes Text ist von den späteren Konzilienherausgebern immer wieder nachgedruckt worden.[4] Nur für drei dieser Nachdrucke haben die Herausgeber das von ihren Vorgängern übernommene Material wesentlich ergänzt. Die zweite Auflage des S. Binius (Köln 1618) bietet über die Kapiteleinteilung hinaus, die sich seit Crabbes Editio princeps in allen Drucken bis einschließlich der ersten Auflage des Binius (Köln 1606) findet, eine Kapitelzählung sowie Noten des 1586 gestorbenen Antonio Agustín (geb. 1517) zu den CA. Diese Noten, vielleicht eine Vorarbeit zu der von Agustín geplanten Konzilienausgabe,[5] scheinen vor 1618 nirgends gedruckt worden zu sein. Binius selbst gibt im Inhaltsverzeichnis seiner zweiten Auflage an, die Noten seien ihm von dem Mitarbeiter Agustíns Andreas Schott (+ 1629) zur Verfügung gestellt worden. Die Kapitelzählung Agustíns ist aus der Ausgabe von Hinschius ersichtlich. Welche Handschrift Agustín für diese Einteilung benutzt haben könnte, ist leider nicht festzustellen.[6] Die Agustín - Binius'sche Kapiteleinteilung erfuhr elf Jahre nach ihrem Erscheinen von gewichtiger Seite Kritik: J. Sirmond wies darauf hin, daß die alten Konzilienausgaben die CA nicht wie bei Agustín und Binius in 72, sondern in 80 Kapitel einteilten. Diese Kapiteleinteilung werde auch durch die Inskriptionen im Dekret Gratians gestützt, wo die CA stets nach einer Einteilung in 80 Kapitel zitiert würden.[7] Sirmond versuchte diese seiner Ansicht nach ursprüngliche Kapiteleinteilung wieder herzustellen und griff dabei im wesentlichen auf die bei Crabbe gedruckte Einteilung zurück, die er mit einer Kapitelzählung und mit Rubriken ergänzte.[8] Sirmonds Argumentation beruht in beiden Punkten auf einem Fehlschluß: Zum einen sind die CA bei Crabbe und seinen unmittelbaren Nachfolgern nicht in 80, sondern in 79 Kapitel eingeteilt,[9] und zum anderen findet sich in den Handschriften von Gratians Dekret überhaupt keine Kapitelzählung für die CA. Diese Zählung ist vielmehr eine Zutat der Correctores Romani, die ihrerseits wohl die CA in der ihnen vorliegenden Konzilienausgabe durchnumeriert und die so entstehende Zählung bei den entsprechenden Gratian-Texten hinzugesetzt haben. Obwohl Sirmonds Kapiteleinteilung, -zählung und -rubrizierung also jeder handschriftlichen Grundlage entbehrte, wurde sie für die weitere Editionsgeschichte grundlegend. Alle späteren Konzilienausgaben bis hin zu Mansi und Migne haben sie übernommen, und noch Hinschius zweifelte nicht daran, daß die Einteilung der jüngeren Konzilienausgaben eine ihm unbekannte handschriftliche Grundlage haben müsse.[10]

Der einzige unter den Konzilienherausgebern, der noch einmal auf eine Handschrift der CA zurückgegriffen hat, war der französische Jesuit Jean Hardouin (1646-1729). Im 1714 erschienenen dritten Band seiner Konzilienausgabe hat er aus einer Handschrift der CA abweichende Lesarten mitgeteilt. Leider macht er keine Angaben über die von ihm herangezogene Handschrift, und auch die von ihm mitgeteilten Lesarten lassen keinen sicheren Schluß auf diese Handschrift zu. Hardouins Ausgabe der CA wurde von seinen Nachfolgen Coleti und Mansi bis hin zu Migne[11] übernommen.

Im Jahre 1863 legte Paul Hinschius seine Ausgabe der Falschen Dekretalen einschließlich der CA vor, die bis auf wenige Ausnahmen[12] zustimmend, fast begeistert aufgenommen wurde.[13] Die etwa 20 Jahre später einsetzende Kritik an der Hinschius-Ausgabe[14] betrifft seine CA-Edition nur zum Teil. Vor allem hatte er bei der Handschriften-Auswahl eine wesentlich glücklichere Hand als bei der Pseudoisidor-Ausgabe. Hinschius' CA-Text fußt auf der Handschrift Paris, Bibl. nat. lat. 12445 (Nr. 3, bei Hinschius mit der früheren Signatur St.-Germain 366 zitiert). Zusätzlich hat er folgende Handschriften herangezogen (jeweils nach den heutigen Signaturen zitiert: Münster, Staatsarchiv VII.5201 (Nr. 12), Trier, Stadtbibl. 927 (Nr. 14), Salzburg, St. Peter a.IX.32 (Nr. 13) und Paris, Bibl. nat. lat. 9629 (Nr. 5).[15] Damit deckt die Edition immerhin große Teile von Handschriftenklasse A ab. Doch einerseits enthält die Edition eine Reihe von Versehen[16] und andererseits sind die übrigen Handschriftenklassen (K, L, B und C), die alle von der von Hinschius berücksichtigten Überlieferung unabhängig sind, nicht herangezogen worden. Schließlich entspricht die 1863 erschienene Ausgabe auch insoweit nicht heutigen Anforderungen, als die Wirkungsgeschichte der CA kaum in Betracht gezogen ist.[17]

Mehr als 100 Jahre nach der Hinschius-Edition erschien ein Nachdruck der CA mit "Appendice di documenti connessi", den P. Ciprotti besorgte.[18] Ciprotti bietet lediglich einen verschlechterten Nachdruck der Hinschius-Ausgabe.

Die wohl bedeutendsten Fortschritte seit der Edition von Hinschius stellen die Quellenstudien E. Seckels zu Benedictus Levita dar. Als Vorbereitung für die von ihm geplante Neuausgabe der Falschen Kapitularien hat Seckel von 1901 bis 1917 unter dem Titel "Studien zu Benedictus Levita" eine Serie von Aufsätzen veröffentlicht, in denen er mit kaum zu übertreffender Genauigkeit die Quellen der Kapitularienfälscher ermittelt hat.[19] Bei der engen Verzahnung von Benedictus Levita und den CA sind diese Untersuchungen auch für die Quellenanalyse der CA von höchstem Wert. Seckel hat auch eine eigene Untersuchung über die CA geplant,[20] doch ist es dazu offenbar nicht mehr gekommen. Die zweite grundlegende Arbeit Seckels zu unserem Thema findet sich in einem bisher unveröffentlichten Manuskript über die CA der Berliner Phillipps-Handschrift 1764.[21] Seckels Studien wurden nach seinem Tode von J. Juncker fortgesetzt, doch ist auch Juncker bis zu seinem Tode 1938 über die abschließenden Quellenuntersuchungen zum dritten Buch der Falschen Kapitularien nicht hinausgekommen.[22] Die für die CA besonders wichtige Additio IV der Kapitularien blieb somit unbearbeitet, und auch in Seckels Nachlaß finden sich keine Materialien mehr zu den Quellenstudien für diese Texte.

Wichtige Fortschritte sind seit der Ausgabe von Hinschius auch in der Entdeckung weiterer Handschriften der Falschen Dekretalen (und damit häufig auch der CA) erzielt worden. In seiner Besprechung der Ausgabe von Hinschius stellte F. X. Kraus erstmals die Handschrift von Bernkastel (St. Nikolaus-Hospital 52) vor.[23] Seither sind noch zahlreiche weitere Handschriften bekannt geworden.[24] Auch die Datierungsfehler von Hinschius sind von Sch. Williams weitgehend korrigiert worden. Sein Verdienst liegt darin, eine zwar nicht vollständige,[25] aber übersichtliche Liste der erhaltenen Pseudoisidor-Handschriften geliefert und zugleich die paläographischen Irrtümer Hinschius' richtiggestellt zu haben. Allerdings teilt er nur selten den Inhalt der von ihm beschriebenen Handschriften mit, und sein Werk ist nicht frei von Versehen.[26]

Hinsichtlich der Wirkungsgeschichte der CA liegt mit den Untersuchungen H. Fuhrmanns[27] ein sicheres Gerüst für die wichtigsten kanonistischen Sammlungen bis zum Dekret Gratians vor.[28]


[1] SECVNDVS TOMVS // CONCILIORVM // OMNIVM, TAM GENERALIVM QVAM PAR- // TICVLARIVM, QVAE INDE A QVINTA SYNODO // Constantinopolitana vsque ad Synodum Constantiensem // habita ex vetustissimis quibusq; Bibliothecis in prae- // sentiarum obtineri potuerunt. Coloniae Agrippinae. Ex officina Ioannis Quentel, anno Domini M.D.LI, S. 609a-614b.

[2] Siehe oben S. @@@.

[3] Z. B.: S. 609b 17. Z. v. u.: damnat, vgl. CA, Z. @@@; S. 610a, Z. 27 viuentes et credentes, vgl. CA, Z. @@@ usw.

[4] L. Surius, Tomus tertius Conciliorum omnium ... Köln 1567, S. 252-256; Conciliorum omnium ... Volumen tertium, Venedig, 1585, S. 660-664; S. Binius, Concilia generalia ... Tom. 3, Köln1 1606, S. 292-294; ders., Concilia generalia Tom. 3, 1, 1, Köln2 1618, S. 436-439; J. Sirmond, Concilia antiqua Galliae ... Tom. 2, Paris 1629, S. 99-111; P. Labbe - G. Cossart, Sacrosancta concilia ... Tom. 6 ... Paris 1671, S. 1618-1628; J. Hardouin, Acta conciliorum ... Tom. 3 ... Paris 1714, S. 2061-2072; N. Coleti, Sacrosancta concilia ... Tom. 8, Venedig 1728, S. 597-607; J. D. Mansi, Sacrorum conciliorum nova et amplissima collectio ... Tom. 12, Venedig 1766, S. 904-914.

[5] Zu diesem nie verwirklichten Projekt vgl. Maassen, Geschichte der Quellen, S. XXV-XXVII.

[6] Der CA-Text in Bd. 3 der Opera omnia Agustìns (Lucca 1767) S. 349-369 ist aus Coletis Konzilienausgabe abgeleitet und daher für die Rekonstruktion von Agustìns ursprünglichem Werk ohne Wert.

[7] Sirmond, Concilia Galliae 2, S. 98.

[8] Die Rubriken Sirmonds sind frei erfunden. Wenn der gelehrte Jesuit nämlich die Kapiteleinteilung ex conjectura rekonstruieren mußte, kann er keine entsprechend eingeteilte CA-Handschrift besessen haben. Eine derartige Handschrift hat sich auch bis heute nicht finden lassen.

[9] Die Zahl 80 taucht erstmals in der Überschrift von Surius (wie S. 63, Anm. 415) auf. Auch Surius läßt dann aber nur 79 Kapitel folgen.

[10] Hinschius, S. CLXVII.

[11] PL 96, Sp. 1055-1068.

[12] Vor allem F. X. Kraus, ThQ 48, 1866, S. 493 ff.

[13] Zur Resonanz, die die Ausgabe fand, vgl. Fuhrmann, Einfluß und Verbreitung 1, S. 26 mit dem Urteil Wasserschlebens, der die Edition "zu den bedeutendsten Leistungen in der neueren kanonistischen Literatur" rechnete.

[14] Zuerst Maassen, Pseudoisidor-Studien I-II, 1885.

[15] Zu diesen Handschriften oben S. @@@.

[16] Etwa S. 758 Z. 5 f.: super petram statt super hanc petram; S. 758 Z. 18: quae statt quae deinceps; S. 758 Z. 18: et statt et in; S. 759 Z. 5: statui statt statui pristino; S. 759 Z. 14: causam statt causam suam usw. Diese Beispiele stammen aus dem Editionstext; die Fehler im kritischen Apparat sind noch häufiger s. auch oben, S. @@@, Anm. @@@).

[17] Die Angaben von Hinschius, S. CLXVII, Anm. 3-5 sind unzureichend. Allerdings war die Editionslage für die vorgratianischen Kanonessammlungen im Jahre 1863 auch noch ungünstiger als heute.

[18] I Capitula Angilramni con appendice di documenti connessi a cura di P. Ciprotti, 1966.

[19] Zur Würdigung von Seckels textkritischen Leistungen vgl. Fuhrmann, Einfluß und Verbreitung 1, S. 164 f., Anm. 52.

[20] Vgl. Seckel, NA 40, 1916, S. 55.

[21] Ed.Schieffer, MGH Conc. 4, Suppl. 2, 2003, S. 42 ff.

[22] Zur Geschichte des von den MGH seinerzeit geplanten dritten Bandes der Kapitularien und zu den Arbeiten von Juncker vgl. Fuhrmann, Einfluß und Verbreitung 1, S. 164 f., Anm. 52 und W. Hartmann, Schwierigkeiten beim Edieren, MGH Studien und Texte, S. 216 ff.

[23] Vgl. Kraus in ThQ 48, 1866, S. 493 ff. Vgl. Williams, Codices, S. 9 f. Auf einem Irrtum beruht Williams' Angabe (S. 116), Kraus habe Hinschius von der Handschrift Mitteilung gemacht.

[24] Vgl. Williams, Codices, S. 116 ff., dessen Angaben mit denen von Fuhrmann, Einfluß und Verbreitung 1, S. 169 f., Anm. 61 zu ergänzen sind.

[25] Vgl. Fuhrmann, ebd. und Mordek, Handschriftenforschungen in Italien, S. 630, Anm. 8.

[26] Eine neue Analyse der handschriftlichen Überlieferung der Falschen Dekretalen bereitet Klaus Zechiel-Eckes (Köln) vor.

[27] Vgl. Fuhrmann, Einfluß und Verbreitung 2, S. 408 ff. und die Register, ebd. 3, S. 769 ff.

[28] Fuhrmanns Untersuchungen beruhen vor allem auf gedruckten Sammlungen (Ausnahmen: Collectio Anselmo dedicata, Collectio Tripartita und die zum Zeitpunkt des Erscheinens von Fuhrmanns Buch nur teilweise gedruckte 74-Titel-Sammlung).

© 2005 Karl-Georg Schon
Dieser Text ist urheberrechtlich geschützt. Er steht unter der GNU Free Documentation License.
Demnach dürfen Sie ihn frei weiter verbreiten und bearbeiten, vorausgesetzt Sie nennen den Namen des ursprünglichen Autors und Sie geben auch anderen das Recht den von Ihnen bearbeiteten oder verbreiteten Text unter den gleichen Bedingungen weiter zu verbreiten. Im einzelnen finden Sie Bestimmungen der GNU Free Documentation License unter dem Menüpunkt Lizenz.

Zuletzt geändert am 6.7.2005

[Home] [Überblick] [Text] [Übersetzungen] [Capitula Angilramni] [CA und die Fälschungen] [Bischofsprozess] [Überlieferung] [Rezeption] [Editionsgeschichte] [Zur Ausgabe] [Text] [Collectio Danieliana] [Lizenz] [Kontakt] [Links] [Impressum] [Inhalt]