Projekt Pseudoisidor

Pseudoisidor

Capitula Angilramni

Collectio Danieliana

Pseudoisidor Teil I

Pseudoisidor Teil II

Pseudoisidor Teil III

Die CA in den Auseinandersetzungen zwischen Hinkmar von Reims und Hinkmar von Laon

 

Burchard von Worms

IV.3. Die CA in den Kanonessammlungen von der Mitte des 9. bis zum Anfang des 11. Jahrhunderts

Nur zwei Sammlungen in der Zeit zwischen dem Auftauchen der Falschen Dekretalen (ca. 850) und dem Dekret Burchards von Worms (ca. 1008/12) hat P. Fournier als "collections majeures" angesehen. Alle anderen Sammlungen hätten nur lokale Bedeutung gehabt und seien kaum verbreitet gewesen.[1] Die beiden bedeutenderen Sammlungen sind die vermutlich ca. 882-896 in Oberitalien entstandene Collectio Anselmo dedicata[2] und die etwa 906 in Trier verfaßten Libri duo de synodalibus causis et ecclesiasticis disciplinis des Regino von Prüm.[3] Keine dieser beiden Sammlungen zitiert die CA. Der Grund dafür ist hinsichtlich der Collectio Anselmo dedicata sehr einfach: Der Autor dieser Sammlung hat die CA vermutlich nicht gekannt, denn er zitiert die Falschen Dekretalen nach einer Handschrift der Hinschius-Klasse A2,[4] die die CA nicht überliefert. Auch Regino hat, falls ihm überhaupt eine vollständige Pseudoisidor-Handschrift zugänglich war, vermutlich eine Handschrift der Klasse A2 benutzt.[5] Dennoch kann man bei Regino eine Kenntnis der CA nicht ganz ausschließen. In der nach dem Urteil H. Wasserschlebens besten Handschrift des Sendhandbuchs[6] (Trier, Stadtbibliothek 927) sind die CA ebenso überliefert wie in der Wasserschleben noch unbekannten Handschrift Luxemburg, Bibl. nat. 29, die eng mit dem Trierer Codex zusammenhängt.[7] Jedenfalls hat Regino die CA im Sendhandbuch nicht herangezogen, vielleicht deswegen nicht, weil sich das in den CA vorgesehene Verfahren von dem beim Send üblichen stark unterscheidet und daher die CA für Regino nicht brauchbar waren. Falls nicht Regino selbst noch für die Aufnahme der CA in den Umkreis des Sendhandbuchs gesorgt hat, hat ein von Trier sicher nicht weit entfernter Benutzer des Handbuchs[8] die CA in seiner Handschrift nachgetragen.

Reginos Sammlung ist ein besonders stark auf die kirchliche Alltagspraxis ausgerichtetes Werk. Es kann daher nicht verwundern, daß gerade diese Sammlung immer wieder überarbeitet und ergänzt wurde.[9] In einer dieser Ergänzungen zum Sendhandbuch, der sogenannten Appendix III,33-36,[10] finden sich vier Texte aus den CA: (App. III,33=CA 5bis; App. III,34=CA 8bis; App. III,35 = CA 16bis; App. III,36 = CA 18bis).[11] Ihre Textgestalt liefert keine Anhaltspunkte für die Rezension der CA, die dem Autor vorgelegen hat. Alle vier sind mit Ex concilio Carthaginensi falsch inskribiert. Die gleiche Inskription findet sich auch bei den sieben vorangehenden Kapiteln. Es liegt bei der sonstigen Arbeitsweise[12] des Appendix-Autors nahe, daß c. 26-36 aus einer Quelle stammen. Diese erschlossene Quelle hätte neben den CA mindestens noch Texte Ps.-Felix' II.[13] sowie Kanones der karthagischen Konzilien der Hispana enthalten. Da die Konzilstexte stärker zur unverfälschten Hispana Gallica tendieren als zur HGA oder zu Pseudoisidor, ist es fraglich, ob der Autor eine Pseudoisidor-Handschrift herangezogen hat.

Unter den etwas weiter verbreiteten Sammlungen des 9. und 10. Jahrhunderts enthält lediglich die Sammlung in 98 Kapiteln Texte aus den CA: c. 74 und 75 dieser Sammlung entsprechen CA 12 bzw. 19. Da die Sammlung in 98 Kapiteln zum überwiegenden Teil aus Regino kompiliert ist, liegt die Vermutung nahe, daß auch die CA-Kapitel aus einer Regino-Handschrift vom Typ der Codices von Trier und Luxemburg stammen.


[1] Fournier-Le Bras, Hist. des coll. can. 1, S. 234 f.

[2] Vgl. ebd., S. 235 ff. und Fuhrmann, Einfluß und Verbreitung 2, S. 425 ff.

[3] Vgl. Fournier-Le Bras, Hist. des coll. can. 1, S. 244 ff. und Fuhrmann, Einfluß und Verbreitung 2, S. 435 ff. Eine zweisprachige Teiledition des Sendhandbuches (ohne die Additiones) bietet weitgehend aufgrund der Ausgabe Wasserschlebens W. Hartmann, Das Sendhandbuch des Regino von Prüm unter Benutzung der Edition von F. W. H. Wasserschleben hg. und Übersetzt von Wilfried Hartmann (Ausgewählte Quellen zur deutschen Geschichte des Mittelalters. Freiherr-vom-Stein-Gedächtnisausgabe 42), 2004.

[4] Vgl. Fuhrmann, Einfluß und Verbreitung 2, S. 429 f.

[5] Vgl. ebd., S. 440 f.

[6] Vgl. ed. Wasserschleben, S. XX.

[7] Siehe oben S. @@@.

[8] Die Herkunft der Trierer Handschrift läßt sich nicht über das Kloster Maria Laach hinausverfolgen, und die Handschrift von Luxemburg stammt aus dem Kloster Orval, siehe oben, S. @@@.

[9] Grundlegend zu den verschiedenen Rezensionen und zu den Appendizes Wasserschleben, Beiträge, S. 1 ff. sowie die Praefatio editoris in ed. Wasserschleben, S. V ff. Offenbar unter dem Eindruck der für die damaligen Verhältnisse überragenden Editionsleistungen Wasserschlebens ruhte die textkritische Untersuchung des Sendhandbuches mehr als 130 Jahre, vgl. etwa Fournier, Réginon de Prüm, S. 5 ff. oder Fuhrmann, Einfluß und Verbreitung 2, S. 435 ff., die sich hinsichtlich der Rezensionen des Sendhandbuches und der Appendizes weitgehend auf Wasserschlebens Ergebnisse stützten. Weitere Untersuchungen haben zwar die Ergebnisse Wasserschlebens in den Grundzügen bestätigt, doch stellt sich die Überlieferung differenzierter dar, vgl. Kerner u. a., Textidentifikation, S. 44 ff. Eine neue Ausgabe plant W. Hartmann (vgl http://www.uni-tuebingen.de/mittelalter/forsch/projekte.htm).

[10] Ed. Wasserschleben, S. 449 ff. Fournier glaubte in der Appendix III Spuren der Collectio Anselmo dedicata zu erkennen, vgl. Fournier-Le Bras. Hist. des coll. can. 1, S. 246, Anm. 2. Fuhrmann, Einfluß und Verbreitung 2, S. 441, Anm. 47 läßt die Frage offen. Kerner u. a., Textidentifikation, S. 45 ff. haben gezeigt, daß die Appendix III weder aus der Collectio Anselmo dedicata noch aus irgendeiner anderen Sammlung der systematischen Ordnung geschöpft hat, und daß Appendix III Quelle von Burchards Dekret ist. Demnach kann die Appendix III spätestens in den ersten Jahren des 11. Jahrhunderts entstanden sein. Die Tatsache, daß die jüngste in Appendix III verwendete Quelle das Konzil von Tribur 895 ist, spricht für die Vermutung Wasserschlebens, Appendix III sei fast zeitgenössisch zu Reginos Werk entstanden, vgl. ed. Wasserschleben, S. XIV.

[11] Ed. Wasserschleben, S. 466, Anm. h und i hielt c. 75 des Konzils von Elvira bzw. die Rubrik von c. 11 des 1. Konzils von Toledo für die Quelle von Appendix III,33 und 34 und die Forschung ist ihm darin gefolgt, vgl. zuletzt Fuhrmann, Einfluß und Verbreitung 3, S. 972 und 1000, wo die Texte nicht unter den pseudoisidorischen Übernahmen des Sendhandbuchs erscheinen. Der Überlieferungszusammenhang der beiden Kapitel spricht jedoch ebenso wie die Kapitelzählung in der Inskription (c. 33 = CA 5bis: cap. V; c. 34 = CA 8bis; cap. VIII) für eine Übernahme aus den CA.

[12] Vgl. Kerner u. a., Textidentifikation, S. 56 f.

[13] C. 31 (Inskription: Ex concilio Carthaginensi cap. VII) und c. 32 (Inskription: Ex concilio Carthaginensi cap. XIII).

© 2005 Karl-Georg Schon
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Zuletzt geändert am 6.7.2005

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