Projekt Pseudoisidor

Pseudoisidor

Capitula Angilramni

Collectio Danieliana

Pseudoisidor Teil I

Pseudoisidor Teil II

Pseudoisidor Teil III

Die CA in den Auseinandersetzungen zwischen Hinkmar von Reims und Hinkmar von Laon

 

Burchard von Worms

IV.4. Burchard von Worms

Das vermutlich 1008/12 entstandene Dekret des Bischofs Burchard von Worms (1000-1025)[1] ist die älteste unter den hier zu behandelnden Sammlungen, die über einen regional begrenzten Einfluß hinaus gekommen ist.[2] Mindestens etwa 80 Handschriften überliefern Burchards Sammlung, und noch dem 1112 gestorbenen Sigebert von Gembloux galt Burchard als eine Autorität ersten Ranges, ex quo adhuc omnium conciliorum decreta auctorizantur.[3]

Burchard zitiert in den 20 Büchern des Dekrets mit 1785 Kapiteln die CA an 16 Stellen:

 

Burchard

CA

Burchard

CA

1,102

12bis

15,2

8bis

1,166

12bis

15,9

37a

1,170

17

16,3

47-48

2,39

15

16,4

10bis

2,195

5bis

16,6

1bis

2,200

37b

16,10

3bis

2,204

14bis

16,14

49

3,199

6bis

16,32

50[4]

 

Am stärksten sind die CA bei Burchard in Buch 16 De accusatoribus et testibus vertreten. Von den 35 Kapiteln dieses Buches stammen sechs, also ein Sechstel, aus den CA. Drei Kapitel finden sich in Buch 1 De episcopis[5] und vier in Buch 2 De sacris ordinibus. In den Texten in Buch 1 geht es um das Gerichtsverbot an Sonntagen (1,102 = CA 7 ), das grundsätzliche Verbot von Anklagen gegen Bischöfe (1,166 = CA 12bis) und den Gerichtsort für Bischöfe (1,170 = CA 17). Die vier Texte in Buch 2 befassen sich mit dem Verbot, daß ein Bischof einen fremden Diözesanen ordiniert (2,39 = CA 15), der Bestrafung falscher Ankläger (2,195 = CA 5bis), dem privilegium fori der Kleriker (2,200 = CA 37b) und dem Zeugnisverbot für Laien gegen Kleriker (2,204 = CA 14bis) mit Umkehrung des ursprünglichen CA-Textes, der das Zeugnis von Klerikern gegen Laien verbietet. In Buch 15 De laicis sind die CA zweimal herangezogen: 15,2 = CA 8bis schreibt Laien unter Strafe der Exkommunikation die Rückgabe von geraubtem Gut vor, wenn der Bischof sie dazu anhält, und 15,9 = CA 37a erklärt constitutiones, die gegen die Kanones, päpstliche Vorschriften oder die guten Sitten verstoßen, für nichtig. In Buch 3 De ecclesiis findet sich ein Zitat aus den CA: 3,199 = CA 6bis verbietet die Lektüre von übelbeleumundeten und, wie Burchard hinzusetzt, in der Kirche unbekannten Büchern.

Die Texte aus den CA übernimmt Burchard im allgemeinen unverändert.[6] Lediglich in 3,199 findet sich eine Interpolation, die den Ausgangstext erheblich erweitert.[7] Die Inskriptionen behandelt Burchard auch in den CA mit der bei ihm üblichen Freiheit. Von den 16 Kapiteln, die Burchard aus den CA bezogen hat, sind lediglich fünf richtig als decreta Adriani papae gekennzeichnet: 2,39; 2,200; 3,199; 16,6; 16,14. Die falschen Inskriptionen bei 2,195 und 15,2 fallen nicht Burchard, sondern seiner Quelle, Reginos Sendhandbuch, Appendix III, zur Last (Ex concilio Carthaginensi). In einem weiteren Fall (1,170) hat Burchard seine Inskription einer Parallelstelle bei Pseudoisidor entnommen, nämlich dem zweiten Iulius-Brief an die orientalischen Bischöfe. Der Text von 1,170 stammt dagegen aus den CA.[8] Für die übrigen falschen Inskriptionen läßt sich kein Grund angeben.

In anderem Zusammenhang ist gezeigt worden, daß Burchard die Cluny-Version der Falschen Dekretalen benutzt hat.[9] Es ist anzunehmen, daß er aus dieser Vorlage auch die CA kannte. Er hat sich jedoch nicht mit einer CA-Vorlage begnügt. In den Kapiteln 1,170 = CA 17, 2,39 = CA 15, und 15,9 = CA 37b finden sich Lesarten, die sich sonst nur in den Handschriften von Münster (Nr. 12) und Salzburg (Nr. 13) nachweisen lassen. Es ist daher anzunehmen, daß Burchard auch eine Handschrift dieses Typs zur Verfügung stand. Zwei Kapitel hat Burchard außerdem, wie erwähnt, der Appendix III Reginos entnommen.


[1] Grundlegend mit weiterer Literatur HoffmannPokorny, Burchard von Worms. Zur Bibliographie vgl. Kéry, Canonical collections, S. 149 ff., die insgesamt rd. 90 Dekrethandschriften aufzählt (ebd., S. 134 ff.). Eine knappe Zusammenfassung des Forschungsstandes findet sich bei Fowler-Magerl, Kanones, S. 19 ff.

[2] Auch die größeren älteren Sammlungen haben genau besehen nur regionalen Einfluß gehabt. Handschriften von Reginos Sendhandbuch lassen sich nur in den Kirchenprovinzen Mainz, Trier, Köln und Reims, also im lothringischen Raum und den unmittelbar angrenzenden Gebieten des ost- und westfränkischen Reiches nachweisen, vgl. Kerner u. a., Textidentifikation, S. 45. Die Collectio Anselmo dedicata ist bis zum Beginn des 11. Jahrhunderts anscheinend nur in Oberitalien bekannt gewesen, vgl. zuletzt Fuhrmann, Einfluß und Verbreitung 2, S. 426 f. Anm. 8 mit weiterer Literatur. Mit vorpseudoisidorischen Sammlungen haben wir uns hier nicht zu befassen.

[3] Sigebert von Gembloux, Catalogus de scriptoribus ecclesiasticis, c. 141, ed. Witte, S. 98. Weitere Beispiele der Wertschätzung, der sich Burchards Dekret erfreute, bei Fuhrmann, Einfluß und Verbreitung 2, S. 460 f.

[4] Trotz entsprechender Inskription stammt 15,8 nicht aus den CA (16bis und 18bis), sondern wohl aus Ps.-Marcellinus, ed. Hinschius, S. 222 Z. 42-223 Z. 6 oder aus Ps.-Symmachus, ebd., S. 683 Z. 2-8 (vielleicht über Regino, App. III,38). Vgl. auch Fuhrmann, Einfluß und Verbreitung 3, S. 904, der sich zur unmittelbaren Vorlage nicht festlegt.

[5] So der Titel in den Handschriften Bamberg, Staatsbibliothek can. 6; Freiburg, Universitätsbibliothek Cod. 7 und Vat. Pal. lat. 585. Migne, PL 140, Sp. 549 f. druckt De primatu ecclesiae.

[6] Die Umkehrung der Vorschrift von CA 14bis = 2,204 findet sich auch schon in einer Reihe von CA-Handschriften.

[7] CA 6bis verbietet, libros famosos zu lesen oder zu singen. Burchard 3,199 macht daraus libros famosos et ignotos in ecclesia.

[8] Ed. Hinschius, S. 469 Z. 15-21, Z. 2 Statt qui (ebd., Z. 17) bzw. quoniam (ebd., Z. 18) in allen herangezogenen Pseudoisidor-Handschriften (Verzeichnis dieser Handschriften bei Kerner u. a., Textidentifikation, S. 34 f., Anm. 74) schreibt Burchard ebenso wie Handschrift 11 (siehe oben S. 20) zweimal quia (die übrigen CA-Handschriften haben qui für das erste quia). Außerdem stimmt Burchards Textumfang mit den CA, nicht aber mit Ps.-Iulius überein.

[9] Zu den Pseudoisidor-Vorlagen Burchards vgl. Kerner u. a., Textidentifikation, S. 33 ff.

© 2005 Karl-Georg Schon
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Zuletzt geändert am 6.7.2005

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